Sonntag, 24. Februar 2008

Vergangenheitsbewältigung

In Chile hat uns die Vergangenheit eingeholt. Mehr noch, sie hat uns überrollt und lässt die Frage offener den je – wie geht man mit seiner eigenen Vergangenheit um. Als Deutscher und auch als Italienerin eine gewohnte Übung und eine auch in unseren Ländern heiß umstrittene Frage.

Aber von Anfang an. Unsere Reise durch Chile wäre ohne die Gastfreundschaft und Hilfsbereitschaft aller, die wir auf dem Weg getroffen haben, so nicht möglich gewesen. Die wunderbare Stadt Valparaiso erkundeten wir mit Giancarlo und seiner Freundin Yasmin. Wir wohnten umsonst, sahen Dinge die sonst keiner sieht. In Santiago bewirtete uns Cristian, der Retter meines Passes, in Patagonien lud uns Mathilde, die Schwester des Agrarministers von Allende und Frei zum Tee nach Santiago ein. Unsere Recherchereise in den Süden organisierte uns Manuel, in Gefangenschaft geboren, dann mit den Eltern nach Italien geflüchtet und seit drei Jahren zurück in Chile. Und mit allen redeten wir auch über Pinochet. Drei Sätze:

Natürlich ist es schade, dass damals Menschen sterben mussten, aber...

„Chile geht es dank Pinochet heute besser.“

„viele dieser Leute waren auch schlechte Menschen.“

„man sollte die Geschichte ruhen lassen.“

Giancarlo war es, der uns das erzählte. Seine Familie hatte viel Land verloren, unter Allende und Frei. Nach 1973 gehörten sie zu den stillen Profiteuren.

Unser Treffen mit Manuel fand im Stadteil Providencia statt. Dort ist einer Bürgermeister, der unter Pinochet die Folterausbildung geleitet hat. Verurteilt wurde er nie – Folterausbildung ist ja keine Folter! Sein Sicherheitschef ist dagegen nachweislich ein Mörder. Er erschoss das wohl jüngste Opfer von Pinochet – ein 12 jähriges Kind. Auch er ist frei – dank einer Generalamnestie.

Als Manuel, der anerkanntes Opfer der Diktatur ist, uns das erzählt, lacht er. Das sei halt so. Richtig schlimm sei eher, wie die Diktatur die Menschen verändert hat. Jahrelang wurde denn Leuten erzählt, dass sie von außen bedroht werden. Jetzt verstecken sich viele hinter hohen Zäunen oder in bewachten Wohnanlagen.

Auch Yonny, ein netter Junge, der uns als auf Chiloe beim drehen half, ist geprägt von dieser Angst. Als Nina ihm sagte, dass die einzige Band die sie aus Chile kennt die Inti Illimani sind, sagte er nur: „Das sind doch Kommunisten!“. Zum Glück folgten wir seinem Rat in Sachen Kneipe nicht. Die Bar, die von zwei – Wortlaut Yonny - „LESBEN“ betrieben wird, und deshalb schlecht sei, war nicht nur wegen des Pisco sour unsere schönste Weggeherfahrung auf der Insel.

Die Lösung für den Umgang mit der Vergangenheit scheint bei vielen Chilenen zu sein – vergessen und schweigen.

Doch nicht bei allen. Ein Beispiel - zwei weitere Chilenen die uns geholfen haben und die beide dank ihres Studiums und ihres Wissens, gut verdienen. Ihre Kinder gehen auf gute Schulen, sie alle haben eine gute Krankenversicherung, können reisen und in Freiheit leben. Aber alle die auf den Staat angewiesen sind, hätten diese Freiheit nicht. Die staatliche Gesundheitsversorgung und Schulausbildung sei katastrophal – arm und reich klafften meilenweit auseinander – auch wegen dem was unter Pinochet passiert ist.


Mathilde, die Schwester des damaligen Agrarministers, die nur weil sie zur Familie gehörte nach Frankreich flüchten musste, denkt noch ein wenig anders. Pinochet und seine Helfer, sind gestraft genug. Wenn sie nicht hier auf der Erde Alpträume plagen oder plagten, dann wird es im Himmel eine Strafe geben. Die Hoffnung auf göttliche Gerechtigkeit, aus dem Mund einer Frau die als „Kommunistin“ gejagt wurde.

1 Kommentar:

gast hat gesagt…

Ja, was macht man mit der Vergangenheit? Was macht man mit der Gewalt? Können Opfer und Täter wieder zusammenleben?

Jean Hatzfeld hat in mehreren Büchern die Gewalt beim Völkermord in Ruanda aus den beiden Perspektiven beschrieben - und die die immer wiederkehrenden Mechanismen kommen hervor.



Gute Reise noch, Andreas